Wegbereiter der Vorfabrikation
Firmengeschichte 1960 bis 1990
Ein neues Kapitel beginnt
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges erlebte die Stadt Zug sowie die ganze Schweiz einen Baustopp. Entsprechend herrschte nach den Kriegsjahren ein hoher Wohnraumbedarf. So folgte die Zeit des Aufschwungs, getrieben vom Wirtschaftswunder, das Arbeit für alle versprach. Zug begann sich zu verändern. Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland wanderten in Scharen ein, um der Nachfrage der Industrie, die noch sehr personalintensiv arbeitete, gerecht zu werden. Bis 1965 stieg der Anteil der internationalen Arbeiterschaft in den Fabriken auf nahezu 40 %. In dieser Zeit der Transformation entstanden in Zug auch die sogenannten "Briefkastengesellschaften". Diese Unternehmen, die kaum eine Belastung für die Infrastruktur darstellten, erwiesen sich durch die willkommenen Steuereinnahmen als Segen für die Stadt Zug.
Parallel dazu wuchs der Wohlstand, welcher die Entwicklung beschleunigte: Neue Geschäftshäuser, Schulen und eine Erweiterung des Spitals prägten das Stadtbild. Die Mobilität durch Autos nahm ebenfalls stark zu und übertraf das Wachstum anderer Städte bei Weitem.
Kulturelle Renaissance und die Pioniere der Vorfabrikation
Die kulturelle Landschaft war im Umbruch. Der vorherrschende Heimatstil wich der modernen Architektur, auf den Bühnen wurde Kabarett gespielt und Jazz entdeckt. Die Jungen liessen ihre Hüften zu den neuen Rhythmen schwingen, während die ältere Generation entsetzt zusah.
An vorderster Front dieser Veränderungen standen die Brüder Rainer und Jost Peikert. Nach dem Tod ihres Vaters Heinrich übernahmen sie das Familienunternehmen und waren, dank der Betonvorfabrikation, in der Lage in kurzer Zeit bezahlbare und grosszügige Wohnungen zu erstellen. Sie trafen damit einmal mehr den Nerv der Zeit.
Im Jahr 1960 wurde das erste vorfabrizierte Wohnhaus realisiert und 1962 wandelte sich die H. Peikert Bauunternehmung in die Peikert Bau AG um. Mit dem prototypischen Wohngebäude setzten die Peikert Brüder neue Massstäbe: Besser, schneller, günstiger. Die Antwort auf die steigenden Ansprüche der Wohnraumbedürfnisse, Baulandpreise und Baukosten war das modulare Vorfabrikationssystem W62. Es setzte mittels Rationalisierung in der Produktion neue Massstäbe und vereinte Wirtschaftlichkeit mit architektonischer Qualität. Das Bausystem W62 war eine Grosstafelbauweise. Alle Elemente einer Wohnung wurden im Werk vorfabriziert und in wenigen Tagen montiert. Die bekannten Scheibenhochhäuser in Inwil, Kanton Zug, wurden in acht bis zehn Monaten realisiert.
Neustrukturierung und die Hinterfragung der Moderne
Die 1970er-Jahre brachten grosse Veränderungen für das Unternehmen. Die Brüder organisierten die Firmenstruktur neu und teilten die Unternehmung in vier Schwestergesellschaften auf. Mit der Peikert Contract AG konzentrierten sie sich weiterhin auf Architektur, Projekt- und Baumanagement.
Mit der Ölkrise von 1973 kam das Ende der Hochkonjunktur und die Firmen Peikert Bau AG, Peikert Prefab AG und Peikert Immobilien AG wurden schrittweise verkauft. 1971 erwarb die Spaltenstein Holding AG die Mehrheitsbeteiligung an der Hoch- und Tiefbaufirma Peikert Bau AG. 1977 wurde der Fabrikationsbereich Peikert Prefab AG in die Copevo AG in Bremgarten eingebracht. So nahm die Ära der Vorfabrikation langsam ein Ende. Die Ölkrise führte zu einer Rezession mit deutlichem Rückgang der Bautätigkeit. In der Architektur wurden die Bauten der Moderne zunehmend hinterfragt. Nach sechzig Jahren hatten die Architektursprache, mit denen die Moderne argumentationsfähig war und auch die Vorfabrikationsgebäude prägte, in breiten Kreisen ihre ästhetische Überzeugungskraft verloren.
Der Beginn des standardisierten Planens und Bauens – das «Peikert Econom» Reihenhaus
Nach der Blütezeit der Vorfabrikation sahen die Brüder Rainer und Jost Peikert die Zukunft im standardisierten Planen und Bauen, um weiterhin preisgünstigen Wohnraum anbieten zu können. Das Projekt «Peikert Econom» sollte der ideale Kompromiss zwischen dem individuellen Traum vom Eigenheim und dem ökonomischen Umgang mit Landressourcen sein. Die Erstellungskosten des standardisierten Reihenhauses lagen 20 % unter dem Marktpreis für vergleichbare Eigenheime und waren so für Familien mit begrenztem Budget erschwinglich.
Zwischen 1980 und den späten 1990er-Jahren wurden fast 1’000 «Peikert Econom» Reihenhäuser verkauft und realisiert. Durch konstruktive Optimierungen, effizienten Bauprozessen und Skaleneffekten konnten die Kosten deutlich reduziert werden. Flexible Installationen erlaubten es den Bewohnern, ihr Zuhause im Laufe der Zeit und entsprechend ihrer persönlichen Situation anzupassen und zu erweitern. Einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg leistete auch das konsequente Marketing – eine Strategie, die in der Immobilien- und Baubranche zu dieser Zeit noch Seltenheitswert hatte.
Ein lebendiges Beispiel ist die Wohnsiedlung in Suhr an der Bachstrasse, deren Bewohner:innen ihre Häuser und Gärten sorgfältig gepflegt, unterhalten und teilweise auf neue Bedürfnisse umgebaut haben. Ein langjähriger Bewohner schrieb vor Kurzem: «Im Jahr 1989 bezogen und immer gepflegt. Wir stehen noch heute für den Namen Peikert ein. Der Kauf war das Beste, das uns passieren konnte.»
Die Menschen im Fokus und der Beginn eines neuen Kapitels
Für Rainer Peikert stand von Beginn an fest, dass der Schlüssel zum Erfolg darin lag, die Bedürfnisse des Marktes zu verstehen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und das passende Produkt zu entwickeln. Dieses Gedankengut trug die Unternehmung durch die Jahre und bildete das Fundament für den nachhaltigen Erfolg. Mitte 1989 übernahm Rainer Peikert die operative Leitung der nun drei Unternehmungen Peikert AG, Peikert Contract AG und Peikert Invest AG. Sein Bruder Jost zog sich nach über drei Jahrzehnten aus dem Tagesgeschäft zurück.